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Subharmonische Reihe (Ausschnitt)

Subharmonische

Frage: Was bedeutet das, Subharmonische?

Oskar Sala: Mit den Subharmonischen meine ich die Töne der Untertonreihe. Bei der Orgel wird für bestimmte Klangfarben eine Mixtur aus Pfeifen der Obertonreihe zugemischt. Beim danach von mir so genannten Mixturtrautonium werden Kombinationen aus Tönen der Untertonreihe erzeugt. Zugemischt kann man hier allerdings nicht sagen, denn es entstehen dadurch keine neuen Klangfarben, sondern etwas viel Interessanteres: subharmonische Akkorde in reinen harmonischen Intervallen. Die Untertonreihe ist ja nichts anderes als ein Spiegelbild der Obertonreihe. Sie beginnt in den höchsten Lagen des Instruments und steigt dann exakt in den Intervallen der Obertonreihe abwärts, zum Beispiel so
c4 c3 f2 c2 as1 f1 d1 c1...
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8....Subharmonische.
Es entsteht in dieser Reihe nicht wie in der Obertonreihe der Durakkord c e g = 4. + 5. + 6. Oberton, sondern der Mollakkord c as f = 4. + 5. + 6. Unterton. Diese zur Obertonreihe spiegelbildliche Untertonreihe hat die Musiktheorie schon lange interessiert. Man könnte daran so schön Dur und Moll erklären, ja, wenn diese Reihe existieren würde, als Naturphänomen eben. Nun ist sie wenigstens ein elektronisches Naturphänomen, entdeckt als solches von Friedrich Trautwein, 1934, und als Grundlage eines elektronischen Musikinstruments mit einer neuen Schaltung von mir.

Frage: Nach dem Zweiten Weltkrieg haben Sie eine neue Schaltung für das Trautonium erfunden, die dann patentiert worden ist. Wozu brauchten Sie die neue Schaltung? Was hatten Sie für eine neue Idee?

Oskar Sala: Notwendig war es, unser altes unbewältigtes Problem zu lösen: Wie kann man die Subharmonische Reihe leicht einstellbar und leicht auswählbar machen? Noch im Rundfunktrautonium mußte jede Subharmonische für sich eingestimmt werden. Beim Wechsel war eine Neueinstimmung erforderlich. Nach dem für mich unerwartet glimpflichen Ausgang des Kriegsabenteuers in vorderster Linie und nach der freundlichen Aufnahme in das vom Krieg verschont gebliebene Berliner Funkhaus in der Masurenallee, wo ich auch das Rundfunktrautonium wiederfand, war ich unbändig daran interessiert, diese langgesuchte Schaltung zu finden. Wenn mir das gelänge, so würde es ein Instrument geben müssen, das nur auf dieser Lösung beruht. Es würde alle bisherigen Konstruktionen weit übertreffen. Das war meine Idee!

Zeichnung aus Salas Patent 1954
(1) Hauptthyratron / Kippschwingungsgenerator
(4) Manual
(12) Triode / Koppelröhre
(20) Thyratron / Synchronisierter Kippschwingungsgenerator

Frage: Sie haben die Schaltung dann gefunden und dafür Patente in Deutschland, Frankreich und den USA erhalten.

Oskar Sala: Ja, auf das amerikanische Patent weise ich gern mal hin, denn es ist nicht alltäglich, daß man dort noch im Jahre 1956 in der Elektronik mit einer Röhrenschaltung ein Patent durchbringt. Entsprechend auch die erste Antwort von drüben: Für so etwas Einfaches will der jetzt noch ein Patent haben. Und dann haben sie es doch erteilen müssen, sogar mit meiner Schaltzeichnung, wo sie zuerst noch sagten: Die Zeichnung brauchen wir nicht. Dann haben sie die aber doch gebraucht, weil es eine sehr verrückte Schaltung war.

Frage:
Was ist an dieser Schaltung denn verrückt ?

Oskar Sala: Sehen Sie mal - hier ist das Hauptthyratron, an dessen Gitter das Manual hängt, und da das zu synchronisierende, und zwischen beiden ist eine Röhre geschaltet, eine Triode. Diese Röhre wird in einem mittleren Zustand betrieben, wo sie auf der gekrümmten Kurve ihrer Kennlinie liegt, also nicht wie üblich in der schönen geraden Linie, sondern hier unten.

Zeichnung aus Salas Patent von 1954
Hauptthyratron a b c
Triode d e f
Synchronthyratron g h i

Und da passiert folgendes - das war meine erste Entdeckung: Wenn die Kippschwingung groß ist, daher langsam, bei tiefen Frequenzen, muß die Synchronisierschwingung klein sein, hier sehen Sie es. Wenn die Kippschwingung aber klein ist und schnell, also bei hohen Frequenzen, muß die Synchronisierschwingung groß sein. Es muß sich also der Arbeitsbereich der Koppelröhre verschieben: Bei tiefen Frequenzen muß die Röhre negativ verstärken und bei hohen positiv im geraden Bereich. Und das Verrückte ist nun - und das ist meine zweite Entdeckung - das macht der Spieler selber! Auf seiner Saite ändert sich spielend die Spannung, um die Tonhöhe des Hauptthyratrons zu ändern, und die gleiche Spannungsänderung bewirkt synchron die Verschiebung des Arbeitspunkts der Koppelröhre, wenn diese Manualspannung auch an das Gitter der Koppelröhre gelegt wird. Sie sehen es hier in den wiedergegebenen Oszillogrammen.
Aber Sie merken auch, daß es nicht ganz einfach ist, das nur mit Worten zu beschreiben, und daher haben auch die Patentprüfer in den drei Ländern meine Schaltskizze und die Oszillogrammbilder, die an den drei Röhren entstehen, nicht weggelassen.

Für meine Schaltarbeiten ergab sich noch eine Überraschung: Im Anodenkreis der synchronisierten Kippschwingröhre kommt die subharmonische Reihe zustande, wenn an einem einfachen Dreh-Stufenschalter die gleichen Festwiderstände, in meiner Konstruktion lauter 100 KiloOhm-Widerstände, verwendet werden, was man durch Anpassung des Schwingkondensators im Thyratronkreis erreicht. Damit war die leichte Einstellung der Subharmonischen geschafft. Dreht man den Stufenschalter auf 7, in der Patentschrift ist dieser Fall gezeichnet, so kommt die 7. Subharmonische, auf 3 die dritte, auf 19 die 19. Mein Stufenschalter hatte 20 Stellungen. Am Drehknopf genügte mir da eine Markierung bei Nullstellung. Verglichen mit einem Uhrzifferblatt war dann bei Viertel die 5., bei Halb die 10. und bei Dreiviertel die 15. Subharmonische. Es bedurfte keiner weiteren Unterteilung. Sie waren leicht zu finden.

Im mikroelektronischen Instrument hat der Schalter 24 Stellungen. Die Professoren haben aber Leuchtziffern vorgesehen. Die Schaltung ist natürlich ganz anders und - Triumph der Mikroelektronik - absolut stabil über den gesamten Tonbereich, einschließlich der freien Stimme, die es bei mir auch gab, aber nur in begrenztem Umfang, weil dazu möglichst gleiche Thyratroncharakteristiken gehören. Der Ton liegt auf "möglichst".

Frage: Und was wurde durch Ihre erfundene Schaltung möglich?

Oskar Sala: Nun, zunächst mal die Grundsatzentscheidung für das Mixturtrautonium. Es gibt keine normal eingestimmten Tonbereiche mehr, sondern für jedes der beiden Manuale nur den höchsten Tonbereich von g1 bis c5, dem höchsten Klavierton. Alles andere, auch der Kontrabaßbereich, wird mit Subharmonischen abgeleitet. Wenn mehrere Subharmonische zugleich erklingen, gibt es eigenartige Zusammenklänge mit reinen harmonischen Intervallen, aber in der umgekehrten Folge der Obertonreihe. Ich denke da an Harald Genzmer, der gleich nach der Fertigstellung des Mixturtrautoniums diese Klänge studiert und für sein geplantes neues Konzert für das Mixturtrautonium und großes Orchester wirkungsvoll eingesetzt hat. Denken Sie nur an den Anfang des dritten, langsamen Satzes: achtstimmige Mixturakkorde, pianissimo beginnend auf einem Instrument, das nur zwei Saiten hat. Natürlich sind das richtige Mixturen. Ändert man nichts, so bleiben die Mixturintervalle und -akkorde über den ganzen Manualbereich erhalten. Aber nun kann ich ja ändern. Das sieht dann so aus: Jedes der beiden Manuale hat vier subharmonische Thyratrons. Für jeden der drei Pedalbereiche hoch, mittel und tief kann ich mir an vier Stufenschaltern, die untereinander an der Frontplatte angesiedelt worden sind - das sind also, wie Sie hier sehen, zwölf Stufenschalter - Töne, Intervalle oder Akkorde auswählen und während des Spiels mit den Pedalen wechseln. Natürlich auch schon vorher vorbereiten!

Frage: Gibt es ein dem Mixturtrautonium vergleichbares Instrument, das Ihre Erfindung nachgeahmt hat?

Oskar Sala: Im Röhrenbereich nein.

Frage: Aber mit dem "Mixturtrautonium nach Oskar Sala" haben Sie doch einen Nachbau. Da hat sich doch mal jemand um die Konstruktion des Mixturtrautoniums bemüht? Oder warum haben die Professoren der Fachhochschule der Deutschen Bundespost Sie angesprochen?

Oskar Sala: Nun, ich war mal 1980 an der Berliner Akademie zu einem Vortrag, ohne mein Instrument, denn ich konnte es schon gar nicht mehr Transporten aussetzen. Da haben die Herren Borowicz, Rudolph und Zahn - alle drei von der, wie es heute heißt, Telekom Fachhochschule, mich angesprochen: "Das Instrument haben wir nicht gesehen, aber wie haben Sie das gemacht? Dürfen wir uns Ihr Instrument mal ansehen?" Und die Herren sind dann gekommen, und ich habe ein bißchen gespielt, und sie sind um das Instrument herumgegangen, haben die vielen Röhren bestaunt und sich mit den Nebengeräten beschäftigt, vor allem mit dem Stromversorgungsgerät, mit Gleichspannungen von bis zu 500 Volt und Wechselströmen für die Röhrenheizungen von mehr als 20 Ampere! Dann haben sie miteinander beraten: "Wären Sie einverstanden, wenn wir es mal mit unserer neuen Technik der Mikroelektronik versuchen würden, Ihr Instrument nachzubauen und es damit auch wieder transportfähig zu machen? Voraussetzung ist natürlich, daß wir in alle Ihre geheimnisvollen Schaltungen eindringen dürfen, damit uns ganz klar wird, was Sie da haben und wiederhaben müssen. Vor allem beim Nachbau Ihrer Spielmanuale stehen wir sicher vor einem schwierigen Konstruktionsproblem und werden mit Ihrer Hilfe an allen Details herummessen müssen". Und dann, nach meiner freudigen Zustimmung, weiter: "Wir trennen die einzelnen Gebiete in Diplomarbeiten für unsere Fachhochschüler auf und bieten sie, wie üblich, zur Auswahl am Schwarzen Brett an. Wenn es gelingt, interessierte Studenten zu finden, wird uns auch unsere Werkstatt zur Seite stehen."

Genau so geschah es und bereits nach ein paar Jahren stand das neue Modell schon auf dem Stand der Fachhochschule auf der Berliner Funkausstellung, ohne allerdings große künstlerische Ambitionen, denn noch gab es eine Zeit des Ausprobierens, und die Professoren mußten noch allerlei eigene Arbeit in das Projekt stecken. Aber dann stand es doch ein paar Jahre später in meinem Studio, mit dem von den Herren gewählten Titel, den wir vorhin schon genannt haben. Ich baute auch noch zwei meiner patentierten Fein-Amplitudenregler ein, je einen unter jedes Manual. Das sind Flüssigkeitswiderstände, die zuständig sind für alle erdenklichen Nuancen des Saitenspiels und bis heute, ich möchte sagen, so eine Art Markenzeichen für die Qualität der Trautoniuminterpretation geworden sind.